Bericht aus der Sprachförderung

„Hallo ich heiße Gertrud – und wie heißt Du?“

 

Mit dieser Frage meiner blond bezopften Handpuppe mit Namen Gertrud begann die Sprachförderung im Dezember 2009 in der Kita St. Marien. Inzwischen ist der Sprachkurs für Kinder mit Migrationshintergrund zu einer festen Einrichtung geworden. Zweimal pro Woche sammele ich zusammen mit Gertrud insgesamt zehn Kinder aus allen Gruppen und führe mit ihnen im Personalzimmer spielerische Sprachübungen durch. Das „Programm“ umfasst Fingerspiele, Reime, Lieder, Sprachspiele und Bilderbücher. Alles, was einen Sprechanlass bietet, ist willkommen. Der „Unterricht“ macht allen Beteiligten viel Spaß – nicht zuletzt mir selbst. Es ist faszinierend, zu beobachten, wie zunächst „stumme“ Kinder nach einigen Stunden des Warmwerdens beginnen, Wörter und ganze Sätze zu sprechen. Je nach Temperament und Sprachstand geschieht dies langsam und in kleinen Schritten oder aber regelrecht explosionsartig – manches Kind, das wochen- oder monatelang nur einzelne Wörter formte, spricht plötzlich „wie ein Wasserfall“. Die fortgeschritteneren Kinder wiederum bringen so viele eigene Ideen ein, dass sich manche kleine Geschichte zu einer großen Fantasiereise in Raum und Zeit entwickelt. In jedem Fall ist es unheimlich schön zu sehen, wie die Kinder sich ihrer zunehmenden Deutschkenntnisse bewusst werden, Spaß am Sprechen haben und neues Selbstbewusstsein erlangen.

Man mag einwenden, dass dies auch ohne zusätzlichen Unterricht im Rahmen des Kindergartenalltags erfolgt und dass zwei kurze Einheiten pro Woche nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein können. Beides ist richtig, doch hat sich gezeigt, dass insbesondere schüchterne Kinder, die in der großen Kindergartengruppe relativ lange Zeit benötigen, um sich zu trauen, in einer Kleingruppe schneller anfangen zu sprechen. Und auch wenn die Zeit für die Sprachförderung viel zu kurz ist, die räumlichen Bedingungen schwierig sind und sicherlich nicht alle „Sprachkinder“ bei ihrer Einschulung die Präpositionen oder das Präteritum korrekt beherrschen werden, so lassen sich doch Fortschritte in Grammatik und Wortschatz erkennen. Und was das Wichtigste ist: Die Kinder merken, dass Deutsch Spaß macht!

Nun stellt sich noch die Frage, wie man Sprachlehrerin für Kindergartenkinder wird…

In einem früheren Leben – vor der Geburt meiner eigenen Kinder – habe ich „Deutsch als Fremdsprache“ studiert und unterrichtet. Im Herbst 2009, während der Eingewöhnungsphase meiner Tochter in der Sonnenblumengruppe, fiel mir auf, dass einige Kinder nur wenige Brocken oder gar kein Deutsch sprachen. Damals schlug ich Frau Schweiger spontan vor, mit diesen Kindern Übungen in Deutsch zu machen. Trotz der beengten Raumsituation stimmte sie sofort zu. Aus dem ehrenamtlichen „Experiment“ erwuchs nach kurzer Zeit eine bezahlte Tätigkeit, die durch ein Landesprogramm des Hessischen Sozialministeriums finanziert wird, zur „Förderung der Deutschkenntnisse bei Kindern im Kindergartenalter“. St. Marien war der erste Kindergarten in Griesheim, der das Förderprogramm in Anspruch nahm. Kurz darauf folgte dank der Vermittlung von Frau Schweiger eine weitere Kita, in der ich zusammen mit einer Kollegin Sprachkurse anbiete. Die Arbeit mit den Kindergartenkindern ist eine Erfahrung, die ich mir noch vor zwei Jahren nicht im Traum hätte vorstellen können, für die ich aber sehr dankbar bin.